Es begann mit einem Kommunikationsfehler. Günter Schabowskis Ankündigung von der "sofortigen" Maueröffnung trat eine Lawine los. Als am 9. November 1989 die Berliner Mauer plötzlich offen war, ohne jede Vorbereitung, war die Freude groß: Es flossen Tränen, und es floss Sekt, die Deutschen wurden in dieser Nacht zum "glücklichsten Volk der Welt". Und es war wirklich Glück im Spiel, denn es fehlte nicht viel, und die Lage in der damaligen "Hauptstadt der DDR" wäre eskaliert: Blutjunge Grenzsoldaten sahen sich am Brandenburger Tor mit euphorischen DDR-Bürgern konfrontiert, ihre Vorgesetzten versuchten verzweifelt, irgendeine klare Anweisung von oben zu erhalten, und im Kreml hatte niemand dieser historischen Zäsur, die das Ende des Sowjetimperiums einläutete, zugestimmt. Schlimmstenfalls wäre am 9. November 1989 ein "Dritter Weltkrieg" möglich gewesen, urteilt der damalige Kreml-Chef Michail Gorbatschow im Rückblick. Die ZDF-Dokumentation zeichnet die entscheidenden Stunden dieser Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 nach. Neben prominenten Akteuren wie Michail Gorbatschow und Helmut Kohl berichten viele Augenzeugen erstmals vor der Kamera von ihren Erlebnissen vor Ort, auf den Straßen des geteilten Berlin, und fügen dem bisherigen Wissen neue, überraschende Facetten hinzu. "Menschen haben vor uns ihre Personalausweise zerrissen, so viel Hass habe ich in Gesichtern gesehen, das ist nicht beschreibbar", erinnert sich ein wehrpflichtiger DDR-Grenzsoldat, der am Brandenburger Tor die Mauer sichern musste: "Ich als Soldat hatte Angst vor dieser Menschenmasse." Ein Westdeutscher, der ihm direkt gegenüber stand und zu den ersten Mauerspechten zählte, schildert, wie die DDR-Wasserwerfer ihn vom "antifaschistischen Schutzwall" spülten. Der letzte DDR-Bürger, der an diesem 9. November gegen seinen Willen ausgebürgert und mittags nach Westberlin abgeschoben wurde, erlitt abends an der geöffneten Mauer einen Nervenzusammenbruch; der erste DDR-Bürger, der seinen Grenzübertritt an der Bornholmer Straße erzwang, jubelt noch heute über das Ende des verhassten Staates; der letzte politische Häftling in Hohenschön-hausen hielt die Nachricht von der Maueröffnung für eine besonders perfide Falle der Stasi und ahnte nicht, dass sein Sohn zu dieser Zeit die Grenze überschritt. Dass in dieser unvergesslichen Nacht viel Sekt floss, aber kein Blut, war ein großer Glücksfall, der die Beteiligten immer noch bewegt. "Wenn ein Soldat dort gesagt hätte, ich mach das nicht mit, hier lasse ich keinen durch und hätte die Maschinenpistole genommen und hätte geschossen - furchtbar! Furchtbar!" erzählt ein DDR-Grenztruppenkommandant. Er war der erste, der direkt nach Schabowskis Pressekonferenz bei seinen Soldaten sicherheitshalber die scharfe Munition einsammeln ließ. Besonnenheit oder Resignation? Befehle der DDR-Regierung oder der Armeeführung gab es nicht, auch die 300 000 "Waffenbrüder" der Roten Armee blieben in ihren ostdeutschen Kasernen. Die DDR-Grenzer waren ganz allein auf sich gestellt und taten das Richtige: Sie öffneten die Schlagbäume. Nach Jahrzehnten der Bevormundung, der Bespitzelung und des Eingesperrt-Seins wagten die Menschen diese "letzte Kraftprobe mit dem Regime", wie ein damaliger Beobachter analysiert - und sie siegten! Die Mauer "ist nicht einfach so gefallen", stellt Michail Gorbatschow das Unwort vom "Mauerfall" richtig: "Sie wurde behauen, abgeklopft - und bestiegen." "Ich war nicht länger ein Spielball des Regimes", resümiert ein Beteiligter, dem der Westen nicht etwa deshalb besser gefiel, "weil die Zahnpasta da drüben schöner war oder billiger, sondern weil ich einfach nicht wollte, dass ich mein Leben lang unmündiger Bürger bin. Ich wollte die ganze Welt bereisen können, ohne dafür bestraft zu werden, und dass mir keiner sagt, was für Bücher du liest, und welche Filme darfst du gucken, und welche Musik darfst du hören." Von deutscher Einheit war in dieser Nacht noch kaum die Rede. Doch sie stand schon vor der Tür. Nicht einmal ein Jahr später war sie vollzogen.
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