Am 5. April - eines der letzten Videos während des Lockdowns in der Alten Stube beim Hengl Haselbrunner.
Ernst Molden, Gesang, Gitarre
Willi Resetarits, Gesang, Mundharmonika, Ukulele
Hannes Wirth, Gitarre, Gesang
Walther Soyka, Wiener Knopfharmonika, Gesang
Christian Seiler über SCHDEAN
Eine Melodie, eine Zeile oder auch nur eine Stimme können Welten eröffnen. Ein paar Worte, ein Tonartwechsel, vielleicht sogar allein die Lebendigkeit des Gesangs, lassen die Konturen von Bildern entstehen, Einladungen, diese neuen Welten zu betreten, sich darin einzurichten, dort zu Hause zu sein.
Ernst Molden ist ein Meister des Verknüpfens von Worten, die scheinbar zufällig und spielerisch gewählt sind, einen Tonfall eröffnen, oft auch einen Rhythmus an- ziehen, und den Kosmen, die sich dahinter eröffnen. Er schreibt Songs mit dersel- ben Selbstverständlichkeit, wie sich andere Menschen Buttersemmeln schmieren, aber es gelingt ihm rätselhafterweise, nie in künstlerische Routine abzugleiten. Das hat viel mit der Band zu tun, mit der er seit zwölf Jahren zumindest einen Teil seines künstlerischen Lebens verbringt. Moldens Liebe zu, aber auch sein Respekt vor Resetarits, Soyka, Wirth haben eine Art von Dringlichkeit, aber auch von traum- wandlerischem Selbstvertrauen hervorgebracht, die es der Band ermöglichen, ihre Stärken auf beeindruckende Weise zu zeigen.
Noch kein Album von Molden Resetarits Soyka Wirth – SCHDEAN ist das vierte in dieser Konfiguration – war so puristisch, hat den Liedern, aber auch den künstler- ischen Vorzügen der einzelnen Bandmitglieder so viel Raum gegeben.
Dass Willi Resetarits, dessen Rolle als Gigant unter den österreichischen Rocksängern und Charakterinterpreten gar nicht hoch genug geschätzt werden kann, dabei hervorsticht, ist keine Überraschung. Molden macht aus seiner Bewun- derung für „den Willi“ kein Hehl. Er schreibt ihm Zeilen, die dessen Interpretation geradezu bedürfen, ihr aber auch die Grundlage bieten, zu glänzen – wie die bei- den großartigen Coverversionen, die den Weg auf dieses Album gefunden haben, Gordon Lightfoots traurigste Ballade „If You Could Read My Mind“ („da geisd bin i“), ein Gänsehautlied, und John Hiatts „Feels Like Rain“ („gschbiasd en regn“), dessen dramatischer Beginn sich in tröstlichen Wohlklang auflöst. Die Harmonika von Walther Soyka ist für die musikalische Tiefe, manchmal auch für ein tänzer- isches Element zuständig, die Elektrogitarre von Hannes Wirth steuert Volumen bei, die Slidegitarre Glanz.
Molden selbst ist der Demiurg. Es sind seine Figuren, seine Landschaften, seine Träume, seine Sehnsüchte, seine Melancholien, Assoziationen, Gedankensprünge, Anlehnungen und Synapsen, die diese Welt ausmachen, bevölkern, beschreiben. Klarerweise ist das Zentrum dieser Welt Wien, aber wie wir alle wissen, muss man sich nur irgendwo, ob in der Lobau oder auf der Himmelwiese, auf den Rücken legen und nachts nach oben schauen, dann weiß man, dass Wien die ganze Welt ist und das Einfallstor für die ganz großen Gedanken, aber auch für die Späße, die Grillen und die Sehnsucht.
Ein alter Kaiser, Parabel auf das Verschwinden. Johann Slavik, der Schani Onggl im Zombiekabinett der Stadt. Das abwesende Schatzerl in einem fast schon echten Wienerlied. Eine Schar von Kindern, die man auch als Hommage an André Heller hören kann. Ernst Molden umgibt sich mit Freunden, die er für sich, aber auch für uns geschaffen hat. Auf dieser Welt, auf dera Wöd, wollen wir gerne sein.
Christian Seiler, Wien, April 2021
Информация по комментариям в разработке