Bruno Taut - ein zeitgenössisches Portrait des Senshintei

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Senshintei

Das japanische Wohnhaus in Bruno und Erica Tauts Leben

Ein Text von Manfred Speidel
30. November 2021

Der kleine Pavillon Senshintei, „Haus der Herzensreinigung“, am Rande des Zen-Tempels Shorinzan, acht Kilometer außerhalb der Stadt Takasaki in der Gunma Präfektur, hat heute den Rang eines Museumsstückes, obgleich er nichts weiter ist als ein durchschnittliches Wohnhaus, wie es bis weit in die 1960er Jahre auch in Tokyo als Mietobjekt zu finden war. Ich selbst habe 1966 für zwei Jahre in einem solchen Häuschen aus zwei Zimmern, umgeben von Küche, Toilette und Baderaum zusammen mit einem Kommilitonen gewohnt. Es entsprach einem Standard, wobei zum Standard gehörte, dass der größere Raum von 6 Tatami auch eine Tokonoma-Nische hatte. Solche Häuser waren billig und rasch zu bauen, sie benötigten keinen Architekten.

Der Senshintei Pavillon war zwar mit gutem Baumaterial errichtet worden, aber trotzdem nicht als Wohnhaus für den Daueraufenthalt einer Familie gedacht gewesen, höchstens als Wochenendhaus, wie es der Bauunternehmer Inoue aus Takasaki in gleicher Größe in
Kutsukake bei Karuizawa besaß, dem Luftkurort beliebt bei Ausländern. Inoue wollte dieses, sein Wochenendhaus, 1934 Taut für einen Sommer zur Verfügung stellen, damit er dort Entwurfsskizzen zur Herstellung von Kunstgewerbe-Gegenständen anfertigen konnte. Diese sollten in Inoues verschiedenen Betrieben für Lackarbeiten, für Möbel und Seidenstoffe gefertigt werden und im Herbst eine attraktive Ausstellung ermöglichen. Taut, der auf der Suche nach einem Einkommen war, stimmte dem Angebot zu. Inoue konnte dann aber, in größerer Nähe zu Takasaki, das 1927 gebaute kleine Haus am Tempel Shorinzan für Taut und seine Frau Erica mieten. Es war nur wenige Male von dem Agrar-Professor der Waseda Universität Sato, für seine Untersuchungen zur Landwirtschaft der Umgebung für kurze Zeiten bewohnt worden.

Bruno und Erica bezogen das kleine Haus am 1. August 1934 und lebten dort bis zum 8. Oktober 1936, also zweieinviertel Jahre lang.

Die Tauts bewunderten und liebten die Lage ihrer „Hütte“ auf dem Hügel am Tempel und den ungestörten Blick über die weite Ebene mit Feldern und Dörfern auf das Panorama der Akagi- und Haruna-Berge. „Mit den Bergen ist das Land wie eine Perle“, poetisierte Taut am 18. August. Und er steigerte seine Begeisterung zu dem Eintrag in das Gästebuch des Tempels vom 24. August. „Ich liebe die japanische Kultur“.

Die Lage erinnerte beide an ihr eigenes Haus in Dahlewitz bei Berlin, das sie kaum fünf Jahre lang bewohnt hatten, bis sie 1932 nach Moskau gingen und nach der Rückkehr im Februar 1933 überraschend aus Berlin fliehen mussten.

Mit ungefähr 28 qm Wohnfläche und 45 qm Überbauung hätte Senshintei in Berlin lediglich dem „Wohnen für das Existenzminimum“ entsprochen, nicht aber Tauts bürgerlichen und beruflichen Ansprüchen. Zum Arbeiten war es ziemlich unbequem. Trotzdem schrieb Taut am 1. Oktober 1934: „Ungern denken wir an den Tag des Weggehens“. Taut fühlte sich in dem bescheidenen, abgelegenen Häuschen dem mittelalterlichen Adligen Kamono Chômei so nahe, dass er dessen hôjôki, „Die Hütte von zehn Fuß im Quadrat“ vom Englischen ins Deutsche übersetzte (24. Oktober 1934).

In Tauts Tagebuch wird die Offenheit des Hauses der Schönheit des Ausblickes wegen gepriesen, aber – der Neugierde der täglich besuchenden Schulkinder ausgesetzt und im Sommer von zahllosen Insekten besucht – auch ironisch-humorvoll mit Skizzen bestückt, die Unzulänglichkeit des Hauses im Winter ertragen und im Sommer erlitten.

Nachdem Taut im März 1936 einen Monat lang schwere Asthma-Anfälle erlitt und sich noch lange physisch „halbiert“ fühlte, wurde ihm, wie er am 26. Juni 1936 schrieb, die Kleinheit des Hauses zunehmend unerträglich. Es müsste doppelt so groß sein können. Und während der Taifun-Saison befand er, Shorin-zan sei ungesund. „Wie sehnen wir uns jetzt von hier weg! Bloß nicht noch einen Sommer hier erleben!“ (4.9.36). Am 23. September notierte er: „Ich liebe diese Bretterbude „Reinigung des Herzens“ nicht mehr recht. Alles ist zu eng, abends und nachts mehr unheimlich als heimelig.“

Das Einladungstelegramm zur Weiteremigration in die Türkei am 10. Oktober kommentierte er: „Bums!!! Schluß mit Japan“.

Trotz oder wegen aller widersprüchlichen Erfahrungen hat Taut zur Einführung in sein theoretisches Hauptwerk „Das japanische Haus und sein Leben“ diesem kleinen Haus den Rang eines Modells für japanische Architektur gegeben.

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