documenta 16 – Keine Toleranz für Antisemitismus: Naomi Beckwith übernimmt künstlerische Leitung

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US-amerikanische Kuratorin Naomi Beckwith wird die Documenta 16 im Jahr 2027 leiten. Sie machte in ihrer Vorstellung klar: „Ich habe keine Toleranz für Rassismus, Diskriminierung und Antisemitismus. Das wird in einer Ausstellung, die ich kuratiere, nicht stattfinden.“ Daher werde sie ständig im Kontakt mit den Künstlern sein, „nicht erst am Tag der Ausstellungseröffnung“. Es werde „keine Überraschung“ geben, weil sie die Denkweise der Künstler, die sie ausstellen werde, kenne.

WELT: Die Documenta holt sich einen Profi - Von Marcus Woeller | 18.12.2024

In Kassel wurde die neue künstlerische Leitung der Documenta 16 bekannt gegeben. Mit Naomi Beckwith fiel die Wahl auf eine sehr erfahrene Kuratorin, die sich von einem ethischen Kompass leiten lassen will. Für die Documenta ist es die letzte Chance, an die große Vergangenheit anzuknüpfen.

Eigentlich hätte die künstlerische Leitung der 16. Documenta schon vor einem Jahr bekannt gegeben werden sollen. Dann kam der gemeinnützigen, von der Stadt Kassel und dem Land Hessen getragenen Gesellschaft, die alle fünf Jahre die aktuellen Strömungen der Kunst in einem „Museum für 100 Tage“ bündeln will, mal wieder ein Eklat dazwischen.

Nachdem die Documenta 15 im Sommer 2022 mit einem Debakel eröffnet worden war, weil in der vom indonesischen Kollektiv Ruangrupa kuratierten Ausstellung antisemitische und einseitig antiisraelische Exponate gezeigt wurden, und sie in der selbst verschuldeten Verantwortungslosigkeit beinahe untergegangen wäre, trat im November 2023 die sogenannte Findungskommission zurück. Sie sollte die kommende künstlerische Leitung aussuchen. Doch eines ihrer Mitglieder war als Unterzeichner eines antisemitischen Pamphlets aufgefallen. Ein anderes Mitglied wollte angesichts des Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober den Zeitplan aufschieben, was von der Documenta-Geschäftsführung verwehrt wurde.

Damit verzögerte sich der Termin der Berufung erheblich. Genauer gesagt, um ein Jahr bis zum heutigen 18. Dezember 2024, an dem nun endlich die neue Documenta-Leitung benannt worden ist.

Es ist Naomi Beckwith, Chefkuratorin am Solomon R. Guggenheim Museum in New York. Beckwith wurde 1976 in Chicago geboren und studierte Kunstgeschichte unter anderem am Courtauld Institute of Art in London. Seit 2011 war sie Kuratorin am Museum of Contemporary Art in Chicago, ehe sie 2021 ans Guggenheim Museum wechselte. An dem von Frank Lloyd Wright entworfenen Museum an der Fifth Avenue mit seiner berühmten Sammlung moderner Kunst ist die Afroamerikanerin nicht nur leitende Kuratorin, sondern auch stellvertretende Direktorin. Ihr Schwerpunkt liege auf der „Resonanz“ schwarzer Kultur auf die zeitgenössische Kunst. Sie realisierte etwa die von Okwui Enwezor vor seinem Tod konzipierte Ausstellung „Grief and Grievance: Art and Mourning in America“ am New Museum in New York. Nun wird sie Manhattan gegen Kassel tauschen.

Naomi Beckwith steht für Kontinuität

Die Mitglieder der im Sommer 2024 berufenen Ersatzfindungskommission Mami Kataoka vom japanischen Mori Art Museum und Yilmaz Dziewior vom Museum Ludwig in Köln seien „überzeugt von Beckwiths Fachwissen“, sagten sie in ihrer dürren Begründung. Sie hätten es deutlicher sagen können: Die künstlerische Leiterin der Documenta 16 ist ein absoluter Profi! Und auch, was sie damit wohl eigentlich ausdrücken wollten: Die Documenta 16 geht auf Nummer Sicher. Es gibt keine riskanten Kollektiv-Manöver wie mit Ruangrupa. Stattdessen wird an die Kontinuität von bedeutenden Documenta-Kuratoren wie Catherine David, Okwui Enwezor oder Carolyn Christov-Bakargiev angeknüpft.

Beckwith zeigte sich dankbar für ihre Nominierung. Und sie machte in ihrer Vorstellung klar: „Ich habe keine Toleranz für Rassismus, Diskriminierung und Antisemitismus. Das wird in einer Ausstellung, die ich kuratiere, nicht stattfinden.“ Daher werde sie ständig im Kontakt mit den Künstlern sein, „nicht erst am Tag der Ausstellungseröffnung“. Es werde „keine Überraschung“ geben, weil sie die Denkweise der Künstler, die sie ausstellen werde, kenne.

„Ich werde nichts zulassen, was meine eigene ethische Denkweise verletzt“, sagte Beckwith bei ihrem eloquenten Auftritt in Kassel. „Kunstschaffende haben Meinungen, sie wollen provozieren und aufrühren“, sagte sie. „Das muss man ins Gleichgewicht bringen, denn es gibt moralische und rechtliche Parameter.“ An dieser Aussage wird man sie und ihre Ausstellung messen. Denn gerade hier lag das Versagen der Documenta 15, nämlich das fehlende Vermögen Ungleichgewichte zu erkennen und Meinungen nicht nur auszubalancieren, sondern auch zu erkennen, wenn sie menschenfeindlich und aufwiegelnd sind.

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