Vergessene Vertreibung: Zwangsumsiedlung in der Oberpfalz | Kontrovers | BR24

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Vor 70 Jahren wurden 3.000 Menschen zwangsumgesiedelt. Sie mussten einem US-Truppenübungsplatz weichen, der im November 1951 bei Hohenfels errichtet wurde. Einige von ihnen waren Flüchtlingssiedler. Sie mussten zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre ihre Heimat aufgeben. Kontrovers macht sich mit Betroffenen von damals auf Spurensuche und erinnert an eine fast vergessene Vertreibung in Bayern.

Schmidheim in der Oberpfalz vor 70 Jahren: Ein beschauliches Dorf mit knapp 60 Einwohnern, einer Kirche und einem Gasthof mit Brauerei. Doch im Spätsommer 1951 erreicht die Dorfbewohner die schockierende Nachricht, dass sie binnen sechs Wochen ihre Häuser räumen müssen. Schmidheim und 86 weitere Ortschaften, insgesamt 3.200 Menschen, sind betroffen. Auf dem Gelände wird ab November 1951 der US-Truppenübungsplatz Hohenfels errichtet.

Einen Bauernhof in eineinhalb Monaten räumen?
Die Geschwister Berta und Alois Pirzer, beide über 90 Jahre alt, lebten damals in Schmidheim. Die Nachricht, dass sie ihr Dorf praktisch über Nacht verlassen müssen, trifft sie schwer. "Wir wussten ja nicht wohin!", sagt Alois Pirzer im BR-Politikmagazin Kontrovers. "Wer kann das machen, einen Bauernhof innerhalb von eineinhalb Monaten zu räumen?" Sie versuchen zu retten, was zu retten ist. Doch vieles bleibt zurück, was mit Händen und Fuhrwerken nicht transportiert werden kann: Die Häuser, die Kirche, die Verstorbenen auf dem Friedhof. Einige der Vertriebenen waren Flüchtlingssiedler. Sie mussten zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre ihre Heimat aufgeben.

Eltern haben den Verlust der Heimat nie überwunden
Auch die 94-jährige Frieda Ohneis wurde damals vertrieben. Ihre Eltern besaßen den Gasthof Rödl in Schmidheim. Dort gab es lange Zeit das einzige Auto und das einzige Telefon im Ort. Dort wurde das Bier gebraut und im Saal wurden die Dorffeste gefeiert. Heute lebt Frieda Ohneis in Laberweinting bei Straubing. Ihr Neffe Ulrich Goß kommt regelmäßig zu Besuch. Frieda Ohneis‘ Eltern haben die Vertreibung nicht lange überlebt. "Sie sind dann leider sehr früh gestorben. Den Verlust der Heimat, die immerhin 200 Jahre im Familienbesitz war, haben sie nicht überwunden", erzählt Ulrich Goß.

Spurensuche in der alten Heimat
Immer wieder sind die ehemaligen Schmidheimer in den vergangenen Jahrzehnten zurückgekehrt zu den Ruinen ihres Dorfes und zu ihrer Dorfkirche. Anders als die Häuser steht die alte Kirche hier noch, weil sie denkmalgeschützt ist. Wann immer sie dürfen, etwa zum Tag der offenen Tür der US Army, nutzen die ehemaligen Schmidheimer die Gelegenheit, sich vor Ort an ihr dortiges Leben zu erinnern. Vergangene Woche dürfen sie erneut auf den Truppenübungsplatz. Angesichts ihres hohen Alters vielleicht die letzte Spurensuche in der alten Heimat.
Frieda Ohneis hat das Dorf bis heute bildlich vor Augen: "Das war die Brauerei. Als ich das letzte Mal da war, da sind wir noch reingegangen, und da gingen noch die ganzen Stufen in den Keller."

Kirchglocke von Schmidheim läutet jetzt in Laberweinting
Besuch in der alten Dorfkirche: Dort haben die ehemaligen Schmidheimer Bilder ihrer Verstorbenen aufgehängt. Nur eine Glocke hat die Kirche nicht mehr. Die haben die Eltern von Frieda Ohneis mitgenommen, als sie damals nach Laberweinting gezogen sind. "Sie haben die Glocke der Pfarrei gespendet. Die läutet jetzt in Laberweinting als Sterbeglocke. Und als die Eltern gestorben sind, hat ihre Glocke aus Schmidheim sie zum Grab begleitet. Das war ein recht erhebender Moment", erinnert sich Ulrich Goß, der Neffe von Frieda Ohneis. Immerhin ein kleiner Trost in all dem Schrecken von damals, der für die Vertriebenen bis heute nachwirkt.

Autor: Christian Stücken
Aus der Kontrovers-Sendung vom 17.11.2021

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