Grün gegen Violett: Das rätselhafte Wiener Derby Rapid - Austria. Eine Dokumentation (DSF 2006)

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Der grün-violette Mythos. Theorien über das Derby.

Als ich 1983 nach Wien kam, wunderte ich mich, dass die U 1 nicht in violett gehalten war. Die U 4 dagegen, die Linie die direkt zum Hanappistadion fährt, ist von der Farbe her logischerweise grün dominiert. Warum die U 2 aber violett ist, habe ich bis heute nicht verstanden, schließlich führt sie auch in Zukunft bestenfalls zum Ernst-Happel-Stadion und das, das habe ich bereits vorgestern ausführlich erläutert, kann in keinem Zusammenhang mit der elitären Tradition der Veilchen stehen. Der eine oder andere mag jetzt lächeln und sich denken: ‚So hat halt jeder seine eigenen Theorien!‘ und dem kann ich nur beipflichten. Mein erstes Quartier in Wien war das Europahaus der Jungarbeiterbewegung in Hütteldorf und von dort ging ich jeden Morgen die Linzerstraße entlang vor zum Platz, wo sich die Endstation des 49ers und eine kleine Kirche befinden, um mit dem Bus zur U-Bahn-Station Hütteldorf zu fahren.

(...) Zu Rapid kam ich aber vor allem deswegen, weil ich als Teenager eine Vorliebe für Großbritannien hatte. Für mich spielte die Rapid der späten 70er Jahre einen eher britischen, schnörkellosen und geradlinigen Fußball. Die Austria empfand ich dagegen als Operettentruppe, die aus lauter Spielertypen bestand, die ich schon im Nationalteam nicht leiden konnte, weil sie je nach Laune ihr Scheiberlspiel aufzogen und ansonsten vor allem in Schönheit untergingen.

Als Sinnbild aller Violetten erschien mir der Karl Stotz, ein gepflegter älterer Herr mit Hut, sonntags wahrscheinlich ein berühmter Hut-Fahrer, der immer dann zum Trainer der Veilchen auserkoren wurde, wenn die sich um den Joschi Walter scharende Intrigantenrunde wieder einmal einen Trainer eliminiert hatte. Genauso uninteressant, wie mir damals der Stotz und das Umfeld der Austria erschienen, empfand ich, seitdem ich denken kann, den gesamten Verein. Und so könnte ich stundenlang erläutern, warum ich ein Grüner und kein Violetter bin, doch alle Theorien über diesen Umstand enden irgendwo von selber. Tatsächlich kann ich gar nicht rational erklären, warum ich Kleidungsstücke bevorzuge, bei denen die Farben Grün, Rot, Blau wahrzunehmen sind, warum ich mir die Zähne nur mit grünen Zahnbürsten putze, warum ich mich in grünen Autos sicherer fühle und warum ich Häuser liebe, in denen ein grünes Treppengeländer zu sehen ist. Und ob es wer glaubt oder nicht, beim Hallenkick, bei dem ich im Rapiddress spielen darf, renne ich doppelt so viel wie sonst und bestreite jeden Zweikampf mit der dreifachen Vehemenz. Fahre ich mit der U-Bahn und sehe jemanden mit einem Rapidemblem, nimmt mein Interesse zu, trägt jemand Sachen aus dem FAK-Fanshop, nimmt es ab. Wirtshäuser, in denen ein Mannschaftsfoto der Wiener Austria zu sehen ist, meide ich, solche, wo auch nur ein Wimpel von Rapid zu sehen ist, empfehle ich weiter. Erklärt mir jemand, dass er ein Fan der Wiener Austria ist, wechsle ich sofort das Thema und tue so, als würde mich Fußball nicht interessieren, erwähnt dagegen jemand nur beiläufig das Wort Rapid, kann er sich sicher sein, dass er für die nächsten zwei Stunden Pause hat.

Und dementsprechend ist es auch nicht verwunderlich, dass mich ein Derby schon eine Woche vor seinem Austragungstermin in den Bann zieht. Jede Nachricht in der Zeitung, im Teletext oder im Internet wird begierig aufgesaugt, jeder Satz wird sorgfältig geprüft, ob er für uns vorteilhaft ist oder nicht. Der Kader der Violetten erscheint mir in der Woche vor dem Derby immer als unendlich groß und mit guten Spielern bestückt, wogegen ich unseren eigenen Kader immer als zu klein empfinde, da können zehn Stammspieler der Veilchen ausfallen und sich bei uns alle bester Gesundheit erfreuen. Und dann kommt der Spieltag und von Stunde zu Stunde nimmt die Anspannung zu, ich bringe kaum das Mittagessen hinunter, komme wie immer zu früh ins Stadion und bin so nervös, als müsste ich selber mitspielen. Wird das Spiel angepfiffen, zittere ich bei jeder Aktion mit, jeden schönen Angriff von uns, der nicht mit einem Tor abgeschlossen wird, erachte ich als dilettantisch, während ich die Violetten schon dann als brandgefährlich empfinde, wenn sie mit dem Ball nur über die Mittellinie kommen. Gehen wir in Führung, freue ich mich kurz, hätte aber am liebsten, dass das Spiel schon vorüber ist, führt der Gegner, finde ich das ganze Spiel mies, ärgere ich mich darüber, überhaupt ins Stadion gegangen zu sein. Gewinnen wir das Spiel, sehe ich mir daheim die Tore sofort noch einmal x-mal auf Video an, verlieren wir, lasse ich das Videoband oft bis zu einem Jahr unangesehen herumliegen. Das eben ist Fußball, eine Nebensache, die ich dann in den helleren Stunden meines Lebens wieder als das sehe, was sie sein sollte: ein schönes Spiel, das man nicht zu ernst nehmen sollte. So gesehen tritt irgendwann wieder die Nüchternheit ein, egal, ob man jetzt gewonnen hat oder nicht.

(3.3.2001)

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