ADHS und ADS - Störung? Superkraft? Wertneutrale Beschreibung | AD(H)S Erwachsene

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Ist ADHS eine Störung? Bisher habe ich das pragmatisch gesehen – was ADHSler selbst stört, ist eine Störung. Jedoch hat mich ein anderes Video zum Umdenken angeregt – darin erklärt Sam, eine im Erwachsenenalter mit Autismus diagnostizierte Frau, weshalb sie die Autismus-Kriterien als pathologisierend empfindet (Link:    • Autistic traits are HUMAN traits: dep...  ). Über das Pathologisierende hinaus ist es wichtig zu verstehen, dass die Wertung auch den Blick darauf trübt, worum es eigentlich geht.

Um den letzteren Aspekt näher zu veranschaulichen, können wir uns mal ein paar andere Beispiele ansehen:

- „Ich sabotiere ständig mich selbst“ könnte neutral beschrieben bedeuten: „Ich fühle mich wiederholt nicht in der Lage, die Dinge umzusetzen, die mir langfristig nützen“.
- „Ich werde es nie hinbekommen, ich bin einfach unfähig!“ könnte bedeuten: „Nach wiederholten negativen Erfahrungen erwarte ich nicht, dass ich in Zukunft Einfluss darauf nehmen kann, meine Ziele zu erreichen“.

Also, besonders viel Mut macht die wertneutrale Beschreibung auch nicht, aber es geht eben nicht darum, etwas positiv umzudeuten! Die Situation ist immer noch, was sie ist. Dennoch gibt es Unterschiede: Mit den wertenden Sätzen beschämt jemand sich selbst. Bei der Umformulierung versucht jemand zu verstehen, was eigentlich gerade los ist – durch eine genaue Beschreibungen der Situation. Die wertenden Sätze klingen absolut, wie in Stein gemeißelt. Bei den nicht-wertenden Sätzen wird der Leidensdruck genauso deutlich, aber auch die spezifischen Bedingungen und Reaktionen, die dazu beitragen. So bietet die neutrale Beschreibung mehr Raum für Bewältigungsmöglichkeiten.

So denke ich, ist es auch bei ADHS. Wenn wir nur von Defiziten sprechen („Hat Schwierigkeiten darin, …“), selbst wenn wir wissen, dass diese neurobiologisch bedingt sind, verstehen wir nicht wirklich, was genau passiert. Je genauer wir es verstehen – also auch: Je wertneutraler wir es beschreiben – desto eher können wir Ideen generieren, wieso sich ADHS so unterschiedlich zeigt. So kann sich auch ein- und dieselbe Person in unterschiedlichen Situationen mehr oder weniger eingeschränkt fühlen bzw. ihre Stärken mehr oder weniger zur Geltung kommen lassen.

Weitere Anmerkung für besonders Interessierte und Profis: Natürlich ziehen wir bei einer sorgfältigen Diagnostik weiterhin die Diagnosekriterien heran. Dennoch tun sich häufige Fragen auf: Ab wann ist etwas „häufig“ und „übermäßig“? Wenn jemand kompensiert (z.B. alles genau aufschreibt), trifft das Kriterium dann noch zu? Können die Symptome anders besser erklärt werden? Hier kann es hilfreich sein, zu schauen, wie wir es in anderen Fällen handhaben: Beispielsweise kommt jemand zu uns mit konkreten Beschwerden und wir können wiederholte Panikattacken feststellen. Hört sich erstmal nach einer Panikstörung an. Dann wird deutlich, dass keine nennenswerte Angst vor den Körpersymptomen vorliegt. Das klingt ungewöhnlich – denn die gerade die Bewertung der Körpersymptome als gefährlich sowie die Angst vor den vermeintlichen Folgen der Körpersymptome halten den Teufelskreis der Angst – und damit auch die Panikstörung – am Laufen. Das trifft bei der hier benannten Person nicht zu. Also haben wir etwas noch nicht verstanden. Gibt es eine bessere Erklärung? Nehmen wir an, bei dieser Person wird beim Erfragen traumatischer Erfahrungen deutlich, dass ein Trauma vorliegt und dass subtile Trigger die starke Angstreaktion auslösen. Dann würden wir hier doch eher an Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) denken. Das zu erkennen wäre für die Behandlung sehr wichtig. Was hilft bei dieser Differenzierung? Klar, in den Diagnosekriterien für jede Störung steht „…außer, wenn durch andere Störungen besser erklärbar“. Aber – woran genau erkennen wir das? Daran, welches Erklärungsmodell die Vorgänge am besten beschreibt. Also das Erklärungsmodell von „Wie funktioniert Panikstörung?“ und „Wie funktioniert PTBS?“ ist für uns Behandelnde natürlich genauso wichtig wie die Haupt-Diagnosekriterien, um eine gute Diagnostik durchzuführen. Genauso brauchen wir auch hier neben den ADHS-Diagnosekriterien auch eine Idee von „Wie funktioniert ADHS?“. Genau dieser Frage gehen insbesondere Ansätze nach, die ADHS funktional beschreiben.


Zu der Literatur, die ADHS funktional, wertneutral beschreibt:

Lachenmeier, H. (2014). Selbstwertwahrnehmung bei ADHS Erwachsener. Schweizer Archiv für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, 165 (2), 47-53.

Noch empfehlenswerter in Buch-Form: Lachenmeier (2021). Mit ADHS erfolgreich im Beruf. Auch für Verständnis der Unaufmerksamkeit über den Beruf hinaus!

Die Kompensation durch Hyperaktivität habe ich selbst hier zusammengefasst (PDF Zusammenfassung) https://aktive-psychotherapie.de/schw...

...und zwar basierend auf dem Modell der Exekutiven Funktionen, Buchtipp dazu: Brown (2018). ADHS bei Kindern und Erwachsenen - eine neue Sichtweise.


Anastasia Ruhrländer, geb. Zhukova
Psychologische Psychotherapeutin

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