Distanzierter Gott
Warum ist Gott so oft nicht erfahrbar
Hans-Joachim Eckstein – www.ecksteinproduction.com
Johannes 1,10 Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht. 11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. 12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben … 14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. ... 18 Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt.
Gott ist Gott - - Der Mensch ist Mensch
Wahre Realität - wahrnehmbare Wirklichkeit
Im Glauben sehen - unmittelbar begreifen, mit den
und wahrnehmen äußeren Sinnesorganen sehen
Gottes Herrlichkeit Gott nicht sehen
in Christus sehen und erfahren können
Das Leiden an der Unsichtbarkeit und Unerfahrbarkeit Gottes gründet in drei biblischen Voraussetzungen, die angesichts der eigenen und der Geschichtserfahrung im Widerspruch zu stehen scheinen:
1. Gott existiert
2. Gott ist allmächtig
3. Gott ist gütig
1.) Die Existenz Gottes – Gott wird als personhaft existierend erkannt
(1 Mo 1,1ff; 12,1ff; 2 Mo 3,13ff; 26,11f; 5 Mo 6,4f)
2.) Die „Allmacht“ Gottes – Gott wird als der eine und wahre Herr der Menschen und der Welt anerkannt (s. Am 4,13 [LXX]; Offb 1,8; 4,8; 11,17; [12,10]; 15,3; 16,7.14; 19,6.15; 21,22)
(s. die Erklärungsmodelle für geschichtliche Ereignisse unter a-c)
a) Der Monismus, d.h. die „Einheitslehre“, die die Gesamtwirklichkeit auf ein Grundlegendes, eine ein-zige Wirkungsursache zurückführt.
b) Die menschliche Verantwortung, die Sünde als Ursache des Leides (1 Mo 1-3; Röm 1,18-3,20; 5,12-21)
c) Der Dualismus, die Überzeugung, dass Welt und Geschichte aus zwei unvereinbaren, widerstreiten-den Kräften bzw. Prinzipien zu erklären sind
3.) Die Liebe und Güte Gottes – Gott wird als seinem Volk gegenüber liebend und gütig bekannt (5 Mo 7,7f; Jes 49,15; Jer 31,3; Hos 2,21f; Joh 3,16; Röm 5,8; 8,31-39; Eph 2,4ff; 1 Joh 4,7-21)
– Nach dem Neuen Testament gilt einmütig: Gott ist Liebe, Leben und Licht (1 Joh 1,5; 4,16; 5,20; Jak 1,17)
Die „Theodizee-Frage“ wird im Neuen Testament nicht etwa rational geklärt, sondern personal. Was sie ertragen lässt, sind nicht vernünftige Argumente, sondern der Blick auf den Sohn Gottes, der diesen Widerspruch des Vertrauens in Verlassenheit und des Gehaltenseins trotz der Verborgenheit Gottes vor uns und für uns gelebt hat. Weder werden die offenen Widersprüche zwischen der Erfahrung einer unge-rechten Welt und dem Glauben an die Gerechtigkeit Gottes „weg-erklärt“, noch wird für diese Zeit und Ge-schichte die Illusion eines von Anfechtung und Leiden freien Lebens ausgemalt.
Das Kreuz Jesu steht nicht für das Scheitern und den Verlust des Glaubens an Gottes Existenz, Macht und Liebe, sondern für dessen Neubegründung und Stärkung. Es ist nicht Gottes Abwesenheit und Unver-mögen, die sich in der Selbsthingabe des Gottessohnes offenbaren, sondern seine überwältigende Zuwen-dung und Liebe. Es tritt nicht das Leiden an die Stelle der Herrlichkeit, sondern die Herrlichkeit Gottes wird mitten im Leiden wahrgenommen und das Vertrauen mitten in der Anfechtung geweckt.
Dabei steht und fällt die Kreuzestheologie mit dem endgültigen und offensichtlichen Triumph der Auferweckung Jesu durch Gott, seinen Vater. In diesem Sinne bleibt auch die „Theodizee-Frage“ sowohl gedanklich wie existentiell solange offen, bis Gott alle Verborgenheit und Dunkelheit durch seine endgülti-ge Offenbarung am Jüngsten Tag erhellen wird und aus der Rückschau der Verherrlichung die scheinbar Verlassenen seine nie gefährdete Liebe und Treue nachträglich erkennen können. Dann spätestens wird of-fensichtlich werden, dass wir es nie mit einem dunklen Gott zu tun hatten, sondern mit der Dunkelheit un-serer Wahrnehmung von ihm – und nicht mit einem distanzierten Gott, sondern mit dem Verborgensein des in Christus längst schon offenbaren Gottes in unserer Anfechtung und Klage.
Ausführliche Entfaltung: H.-J. Eckstein, Zur Verborgenheit Gottes, in: ders. Glaube als Beziehung, 2. Aufl., Holzgerlingen 2006, S.71-97 –
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