Schuldenfalle Krankenversicherung - und die Politik schaut zu | Die Story | Kontrovers | BR24

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Über 200.000 Euro schuldet Joschi Frank seiner gesetzlichen Krankenkasse. Er leitet einen kleinen Kinderzirkus. Weil er Beiträge nicht mehr zahlen konnte, ruht seine Krankenversicherung. Nun droht Zwangsvollstreckung: Der Gerichtsvollzieher will über 5.000 Euro von einer Krankenhausrechnung von ihm - sofort. Ein Teufelskreis: Die Rechnungen steigen ins Unermessliche und der Zugang zur Gesundheitsversorgung wird immer schwieriger. Dabei ist Joschi Diabetiker und herzkrank - und müsste dringend regelmäßig zum Arzt. Fälle und Schicksale wie seine gibt es viele: Und die Politik schaut einfach zu.

Joschi Frank ist verzweifelt. Über 5000 Euro versucht der Gerichtsvollzieher bei ihm einzutreiben, für eine Krankenhausrechnung. Wegen eines Herzinfarktes wird der Direktor eines kleinen Zirkus zu Weihnachten 2019 in das Krankenhaus Mühldorf eingewiesen. Schon damals ruht seine Krankenversicherung, und Joschi Frank gibt deswegen im Krankenhaus an, er müsse die Rechnung selber zahlen. Das löst eine Kettenreaktion aus. Das Grundproblem von Joschi Frank, er kann als kleiner Selbstständiger schon seit über zehn Jahren die Beiträge der AOK nicht mehr bezahlen. Mit Zinsen haben sich gewaltige Beträge angehäuft. Im Dezember 2020 sind es gigantische 200.000 Euro. Bis sie diese Schulden beglichen sind, ruht die Krankenversicherung. Medizinische Versorgung ist nur im Notfall möglich. Menschen wie Joschi Frank schulden den gesetzlichen Krankenversicherungen 9,58 Milliarden Euro – Stand November 2020. Wie viele Schicksale hinter dieser Summe stehen – dazu gibt es allerdings keine Zahlen.

Joschi Frank ist mit der Situation überfordert. Die Rechnungen türmen sich. Er muss den Höchstbeitrag von 850 Euro bezahlen, weil es ihm nicht gelingt, der Krankenkasse mitzuteilen, dass er kein Einkommen hat. Joschi Frank: „Die haben immer eine höhere Rechnung geschickt. Es ging von Monat zu Monat immer höher, zum Schluss waren es 800 oder 850 Euro, pro Monat. Wer soll die zusammen kriegen, das verdien ich gar nicht. Und immer wenn man bei denen angerufen hat, haben die einen von Pontius zu Pilatus geschickt.“

Als Diabetiker und Herzpatient ist Joschi Frank dennoch auf medizinische Hilfe und Medikamente angewiesen, acht verschiedene am Tag. Seit Dezember 2020 greift er deswegen auf das Angebot open.med in München zurück, einem Hilfsangebot der Organisation Ärzte der Welt. Hier erhalten Nichtversicherte wie Geflüchtete oder Obdachlose oder Versicherte mit ruhendem Versicherungsschutz wie Joschi Frank medizinische Versorgung und soziale Beratung.

Die Kommunikation mit der Krankenkasse und das Gefühl der Ohnmacht überfordert vor allem kleine Selbstständige wie Joschi Frank. In der Corona-Krise spitzen sich die Probleme zu. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen verweist auf das Gesetz, auch die AOK sagt, sie sei gesetzlich gezwungen so zu handeln.

Auf Antrag der Fraktionen Bündnis 90/ Die Grünen und die Linke diskutiert der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages über die Problemlage. Die Opposition fordert die Beitragsschulden komplett zu streichen und den Zugang zur medizinischen Versorgung auch für arbeitslose EU-Ausländer, Geflüchtete und Menschen mit ungeklärtem Aufenthaltsstaus. In der Expertenanhörung werfen die geladenen Fachleute der deutschen Politik vor, internationale Vereinbarungen zu missachten. Der freie Zugang zur Gesundheitsversorgung sei ein Menschenrecht.

In der Anhörung sitzt auch die SPD Gesundheitsexpertin Hilde Mattheis. Obwohl die SPD seit Jahren in Berlin mitregiert wurden die Regeln nicht angepasst: „Ich glaube einfach, dass es jetzt an der Zeit ist, nach diesen Jahren die Bilanz aufzumachen und zu sagen hier wir wollen, dass diese Beitragsschulden sich nicht weiter aufhäufen. Also, die Bandbreite ist ziemlich groß und zieht sich bis weit in unsere Gesellschaften hinein. Das sind Kneipiers, das sind kleine Inhaberinnen von Bastelläden. Das sind sogar Weinhändler, die auf einmal dann krank sind und überhaupt nicht versichert sind.“ Laut Mattheis hätte die SPD die Schulden längst erlassen, aber die Union sträube sich. Jens Spahn lässt mitteilen, er plane derzeit keinen umfassenden Schuldenerlass. Sein Versichertenentlastungsgesetz habe solche Möglichkeiten eröffnet. Im Übrigen bestehe für alle hier angesprochenen Personengruppen eine angemessene Akutversorgung.

Die Recherchen des BR-Politikmagazins Kontrovers haben Bewegung in den Fall des Joschi Frank gebracht. Das Krankenhaus hat das Mahnverfahren eingestellt, die AOK übernimmt die Rechnung, denn ein Herzinfarkt ist ein Notfall und die AOK überlegt sich, wie sie mit den Beitragsschulden umgehen wird. Doch für all die anderen Beitragsschuldner, die in der Corona Krise in Schieflage kommen, ist keine Lösung in Sicht. Sie werden weiter mit enormen Beitragsschulden ohne ausreichende medizinische Versorgung auf die Politik warten müssen.

Kontrovers im Internet: http://www.br.de/kontrovers
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