OLG Karlsruhe: Fahruntüchtigkeit mit dem Pedelec (derzeit) erst ab 1,6 Promille

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Eine Verurteilung kann weder wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB) noch wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 1 OWiG erfolgen.

1. Hinsichtlich der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr kommt es für die Entscheidung auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen maßgeblich darauf an, ob - was die Revision bejaht - Führer von Pedelecs bereits ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1%o absolut fahruntüchtig sind, also auch ohne Hinzutreten weiterer Beweisanzeichen unwiderleglich als zum Führen des Fahrzeugs ungeeignet anzusehen sind. Ein entsprechender Erfahrungssatz besteht indes derzeit nicht.

a. Der für die Führer von Kraftfahrzeugen geltende Grenzwert von 1,1%o Blutalkoholkonzentration ist schon deshalb nicht auf Pedelecs übertragbar, weil es sich dabei entgegen der von der Revision unter Berufung auf Stimmen in der Literatur (vor allem König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 316 Rn. 17) vertretenen Auffassung auch im strafrechtlichen Sinn nicht um Kraftfahrzeuge handelt.

aa) Dabei steht außer Frage, dass Pedelecs - jedenfalls bei zugeschaltetem Motor - technisch Kraftfahrzeuge sind, weil sie im Geschwindigkeitsbereich bis 25 km/h - unterhalb von 6 km/h auch ohne Tretleistung des Fahrers - durch Maschinenkraft bewegt werden (vgl. § 1 Abs. 2 StVG).

bb) Nach Auffassung des Senats kommt der rechtlichen Ausnahme der Pedelecs vom straßenverkehrsrechtlichen Kraftfahrzeugbegriff in § 1 Abs. 3 StVG indes auch für die Auslegung desselben Begriffes im Strafrecht entscheidende Bedeutung zu.

(1) Dabei verkennt der Senat nicht, dass in § 1 Abs. 3 StVG ausdrücklich bestimmt ist, dass diese Elektrofahrräder keine Kraftfahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes, also des Straßenverkehrsgesetzes, sind und Anlass für die Einfügung des § 1 Abs. 3 StVG durch das Gesetz zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 17.6.2013 (BGBl. I S. 1558) eine Zulassungsfragen betreffende EU-Richtlinie war (BT-Drs. 17/12856 S. 11).

(2) Gleichwohl ist es allgemein anerkannt, dass die Begrifflichkeiten straßenverkehrsrechtlicher Gesetze wegen des gleichen Schutzzwecks, der Verkehrssicherheit, auch bei der Auslegung der den Straßenverkehr betreffenden strafrechtlichen Normen heranzuziehen sind (BGHSt 50, 93, 100 - zum Begriff der Ungeeignetheit; so im Übrigen auch LK-König, StGB, 12. Aufl. 2008, § 315c Rn. 7). Es entspricht deshalb ganz überwiegender Auffassung, dass der Kraftfahrzeugbegriff des Strafgesetzbuches entsprechend der Legaldefinition im Straßenverkehrsgesetz zu bestimmen ist (OLG Rostock NZV 2008, 472; OLG Brandenburg NZV 2008, 474; BayObLG MDR 1993, 1100; LK-Valerius, StGB, 13. Aufl., § 69 Rn. 44; MK-Athing/von Heintschel-Heinegg, StGB, 3. Aufl., § 69 Rn. 30; Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 69 Rn. 13; Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 44 Rn. 3; Ernemann in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 4. Aufl., § 315c Rn. 3; Eschelbach in Matt/Renzikowski, StGB, § 69 Rn. 20).

(3) Dass der Gesetzgeber abweichend hiervon mit der Begrenzung des unmittelbaren Anwendungsbereichs eine Übertragung der Begrifflichkeit des Straßenverkehrsrechts auf das Strafrecht ausschließen wollte, lässt sich auch den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. ....

(4) Auch systematische Erwägungen sprechen für dieses Auslegungsergebnis. ....

b. Ein Erfahrungssatz, dass Pedelec-Fahrer unterhalb des für Fahrradfahrer geltenden Grenzwertes von 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration absolut fahruntüchtig sind, besteht nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht.....Untersuchungen der Auswirkungen des Konsums von Alkohol gerade auf die Leistungsfähigkeit von Pedelec-Fahrern, die zu gesichertem Erfahrungswissen bezüglich der Bestimmung eines Grenzwerts für alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit geführt haben, liegen dagegen derzeit noch nicht vor.

2. Da § 24a Abs. 1 StVG das Führen eines Kraftfahrzeugs voraussetzt, Pedelecs nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 3 StVG aber nicht als Kraftfahrzeuge im Sinn dieses Gesetzes gelten, scheidet auch insoweit eine Verurteilung aus, weshalb die freisprechende Entscheidung des Landgerichts zu Recht ergangen ist.

(OLG Karlsruhe Urt. v. 15.10.2020 – 2 Rv 35 Ss 175/20, BeckRS 2020, 28773 Rn. 4-15, beck-online)

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