OEZ-Attentat in München: Die vergessenen Opfer | Die Story | Kontrovers | BR24

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2016 wurden bei dem Attentat am Münchner OEZ neun Menschen ermordet. Die meisten Opfer waren Jugendliche, jünger als der Schütze und ihm völlig unbekannt. Sie hatten Träume, ein Leben vor sich und waren nur zufällig an diesem Tag am Tatort. Für ihre Eltern und Geschwister ist das bis heute kaum zu ertragen. Aber nicht nur das: Die Erinnerung an diesen Anschlag wird dadurch bestimmt, dass sich eine ganze Stadt für Stunden im Ausnahmezustand befand. Kollektive Angst, Panik an Phantomtatorten. Die ermordeten Opfer geraten in Vergessenheit. Seit Jahren kämpfen die Angehörigen um Sichtbarkeit und Anerkennung und hoffen, dass die Zeit dafür nun gekommen ist.

Am Freitag, den 22. Juli 2016, werden in München neun Menschen ermordet, acht Jugendliche und eine 45jährige Frau. Der Täter tötet sie, weil sie Migrationshintergrund haben. Für ihre Familien und Freunde ist das bis heute schwer zu ertragen. Aber nicht nur das: Sie kämpfen bis heute um Sichtbarkeit und Anerkennung. Denn es dauert lange, bis die Tat nicht mehr als Amoklauf, sondern als rassistisches Attentat eingestuft wird. Einige der Angehörigen haben sich nun bereit erklärt, ihre Geschichte im BR-Politikmagazin Kontrovers zu erzählen.

Can wollte Fußball-Profi werden
Can Leyla war damals 14 Jahre alt und eines der Opfer des OEZ-Attentats. Sein Traum war es, Profi-Fußballer zu werden. Zur Zeit des Attentats hätte er eigentlich Fußballtraining gehabt. Doch weil es an diesem Tag ausfällt, trifft er sich mit Freunden in einem Schnellrestaurant am OEZ.

Attentat beginnt im Schnellrestaurant
Der 22. Juli 2016 war nicht zufällig vom Täter gewählt worden. Fünf Jahre zuvor hatte ein Rechtsterrorist in Norwegen an diesem Tag 77 Menschen ermordet. Der Täter des OEZ-Attentats ist ein 18-jähriger Deutsch-Iraner. Viele Belege sprechen dafür, dass er Anhänger des Nationalsozialismus war. Im Darknet besorgt er sich eine Waffe und mehr als 300 Schuss Munition. Damit betritt er das Schnellrestaurant am OEZ.

Schüsse auf flüchtende Menschen wie Sevda
In 18 Sekunden ermordet der Täter fünf Jugendliche und verletzt einen Jungen schwer. Daraufhin geht er vor die Tür und schießt auf weitere Menschen. Ein Mann auf einem Parkplatz stirbt dabei und eine Frau, die einkaufen war. Ihr Name ist Sevda Dag. Akin Erdem stand ihr sehr nahe. Sie war die Mutter seines Freundes und auch für ihn war sie wie eine Mutter.

Täter ermordet Menschen nach seinem Feindbild
Der Täter macht sich danach auf den Weg in das Einkaufszentrum. Am Eingang füllt er seine Magazine und geht dann in das OEZ. In diesem Moment kam ein Mann die Rolltreppe herauf, berichtet Ludwig Waldinger vom Bayerischen Landeskriminalamt aus den Ermittlungen. Ein zwanzigjähriger Mann, „der wieder diesem Feindbild entsprochen hat.“, so der Polizist. Der Täter schießt ihm viermal in den Rücken. Der junge Mann wird das letzte Todesopfer des Attentäters. Zweieinhalb Stunden nach der Tat stellen zwei Polizisten den Attentäter, der sich daraufhin selbst erschießt.

Zäher Kampf um Anerkennung als rassistische Tat
Von Rassismus oder einem rechtsextremen Anschlag ist bei den Ermittlungen anfangs nicht die Rede, obwohl auf dem Computer des Attentäters Unterlagen gefunden werden, die in diese Richtung weisen. Die Ermittlungs-Behörden bleiben aber vorerst bei der Einstufung als Verzweiflungstat eines Einzeltäters. Über ein Jahr nach der Tat bekommen die Angehörigen und ihre Rechtsanwältin Claudia Neher aber Akteneinsicht und finden ein Schriftstück des Attentäters: ein Manifest über „ausländische Untermenschen“. Sie bemühen sich daraufhin hartnäckig, dass die Tat als rechtsextremes Verbrechen anerkannt wird. Das Bayerische Landeskriminalamt ordnete das Verbrechen 2019 als „Politisch Motivierte Gewaltkriminalität - rechts“ ein. Mehr als drei Jahre nach der Tat.

Schwere Traumatisierung der Angehörigen
Akin Erdem suchte damals die ganze Nacht mit der Familie seines Freundes nach der Mutter Sevda. Doch sie finden sie nicht. Hasan und Sibel Leyla erfahren in den frühen Morgenstunden, dass ihr Sohn Can unter den Opfern ist. Bis heute können viele Angehörige nicht über den Tag sprechen, an dem ihre Freunde oder Familienmitglieder ermordet wurden. Das Attentat am Olympia-Einkaufszentrum hat sie traumatisiert und ihr Leben zerstört.

Angehörige fühlen sich alleingelassen
Zwar ist die Anteilnahme anfangs groß, dennoch fühlen sich viele Angehörigen-Familien allein gelassen. Zu hoch scheinen die kulturellen Barrieren, zu groß die Berührungsängste. Politiker hätten sich erst nach mehreren Wochen gemeldet, bedauert Hasan Leyla. Jahr für Jahr erinnert die Stadt München an den Anschlag. Aber in den vergangenen Jahren blieben Angehörige fern. Sie wurden kaum den Planungen mit einbezogen. Das sollte sich in diesem Jahr ändern. Doch weil die Stadt München den größten Wunsch der Angehörigen nicht erfüllt – mit einer Gedenkfeier zur Tatzeit um 17 Uhr –, planen sie wieder ihre eigene Veranstaltung.

Autor: Christian Stücken

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