Alban Bergs Konzert für Violine und Orchester "Dem Andenken eines Engels", gespielt von Violin-Solist Frank-Peter Zimmermann und dem WDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Marek Janowski am 18.12.2021 in der Kölner Philharmonie.
Alban Berg - Violinkonzert "Dem Andenken eines Engels"
00:00:00 I. Andante – Allegretto
00:11:00 II. Allegro – Adagio
Marek Janowski, Leitung
Frank Peter Zimmermann, Violine
WDR Sinfonieorchester
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○ Werkeinführung
Wie so oft liegt die Wahrheit in der Mitte – auch in Hinblick auf die vermeintlich strikten Innovationen des Kreises um Arnold Schönberg. Der Meister der Zwölftonmusik selbst bekannte: "Ich lege nicht so sehr Gewicht darauf, ein musikalischer Bauernschreck zu sein, als vielmehr ein natürlicher Fortsetzer richtig verstandener, guter, alter Tradition!" Damit meinte Schönberg vor allem die Struktur der von ihm geschaffenen Musik. Auch sein Meisterschüler Alban Berg sah sich in der Traditionslinie von der Wiener Klassik über Johannes Brahms bis zu Gustav Mahler. An einen Freund schrieb er: "Wir bleiben halt unverbesserliche Romantiker! Auch mein neues Violinkonzert bestätigt es wieder".
Und dieses Violinkonzert ist nicht schlicht eines unter vielen. Es ragt heraus als Solitär: kompositorisch, strukturell, inhaltlich und biografisch. Der Anlass für Berg, es zu schreiben, war zunächst fast prosaisch, die häufig wiederkehrende alte G’schicht: Geldgeber:in erteilt Auftrag – ein Meisterwerk entsteht. Bergs finanzielle Lage im Jahr 1935 war prekär. Denn nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland war seine Musik dort verboten, Tantiemen blieben aus. Mitten in der Arbeit an seiner Oper "Lulu" erreichte ihn im Februar des Jahres eine Anfrage von Louis Krasner, einem selbstbewussten amerikanischen Geiger Anfang dreißig. Erstklassig in den USA und in Europa ausgebildet, setzte Krasner sich insbesondere für die Avantgarde ein.
Schnell war man sich handelseinig. Berg sollte zum Stichtag 31. Oktober ein Violinkonzert liefern; vertraglich festgelegte Spieldauer: 20 Minuten, Honorar: 1500 US-Dollar. Ein zeitlich knapp geplantes Unterfangen. Zum konzentrierten Arbeiten zog Alban Berg sich zunächst in die Natur zurück, auch dies im Einvernehmen mit der Tradition, wie er an Krasner schrieb – an den Wörthersee, "schräg vis-à-vis von Pörtschach, wo das Violinkonzert von Brahms entstanden ist".
Schnell sprühten die Gedanken und Ideen. Und bald ist klar: nicht drei, sondern zwei Sätze wird das Werk haben, jeweils untergliedert in zwei Teile mit den, so Berg, Grundcharakteren "Frei, Fröhlich, Fromm, Frisch". Alban Berg also – nicht nur Romantiker, auch Filou mit Humor. In dieser angeregten Phase der Disposition schlägt das Schicksal zu: Am 22. April 1935 stirbt die 18-jährige Manon Gropius, eine Tochter von Alma Mahler-Werfel, an den Folgen der Kinderlähmung. Berg mochte diese junge Frau ganz besonders gern und fasst den Entschluss, ihr sein Violinkonzert als Requiem zu widmen. An die trauernde Mutter schreibt er: "Ich will auch brieflich nicht versuchen, dort Worte zu finden, wo die Sprache versagt. Eines Tages mag Dir aus einer Partitur, die dem Andenken eines Engels geweiht sein wird, das erklingen, was ich fühle und wofür ich heute keinen Ausdruck finde".
(Text: Otto Hagedorn)
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