Inmitten der Donauwörther Altstadt, am höchsten Punkt der Reichsstraße, erhebt sich der mächtige Turm des Liebfrauenmünsters, der Pfarrkirche der Stadt am Zusammenfluss von Donau und Wörnitz. In seinem Glockenstuhl verbirgt sich, angeführt von der Pummerin, nicht nur eines der klangschönsten Geläute Schwabens, sondern auch das größte Ensemble im Norden des bayer. Regierungsbezirkes. Seine Geschichte nimmt ihren Ursprung bereits in der Vorgängerkirche, für die 1388 von Hermann (II.) Kessler die sog. Zwölferin gegossen wurde. Sie fand 1467 als erste im neu errichteten Backsteinturm ihren Platz. Jahrzehnte später sollte die Stadtpfarrkirche eine große Glocke, die erste Pummerin, erhalten. Sie wurde vom Abt des Heilig-Kreuz-Klosters gestiftet und mit einem stolzen Gewicht von mehr als sechs Tonnen 1512 in Augsburg gegossen. Nachdem das gewaltige Instrument 1676 gesprungen war, entstand 1677 die zweite Pummerin in der Gießerei Schelchshorn. Wenig später erhielt das Geläute mit drei, 1698 von den Gebr. Arnold in Dinkelsbühl und einer, 1723 gegossenen Totenglocke Zuwachs. Der Bestand blieb fortan einige Zeit unverändert, bis die zweite Pummerin 1885 zersprang. Nach heftigen Streitereien kam man schließlich zum Entschluss, dass sie in ursprünglicher Größe wiederherzustellen sei. So wurde am 2. Oktober 1886 die dritte Pummerin von Theodor Wolfart in Kempten gegossen. Sie ist nicht nur eine der wenigen erhaltenen Großglocken der Gießkunst des 19. Jahrhunderts, sondern war lange Zeit auch die größte Glocke Schwabens. Glückliche Fügungen ließen die Pummerin, heute größte hist. Glocke der Diözese, die Wirren beider Weltkriege überstehen - im Gegensatz zur Totenglocke und den drei Arnold-Glocken, die bereits im 1. Weltkrieg zu Rüstungszwecken eingeschmolzen wurden. Als Ersatz lieferten die Gebr. Ulrich 1925 fünf Glocken (Johannes, Marien, Josef, Sebastian und Toten). Doch nur wenig später brach der 2. WK aus: Mit Ausnahme der Pummerin und der neuen Johannesglocke, die wegen ihres herausragenden Klanges verschont wurden, blieb nur die Totenglocke von 1925 unangetastet - die drei anderen neuen Glocken und auch die zu dieser Zeit stillgelegte Zwölferin, die man fälschlicherweise ins 17. Jh. datiert hatte, mussten 1942 abgeliefert werden. Wie durch ein Wunder kehrte das altehrwürdige Instrument 1947 nach Donauwörth zurück. Mit der Montage der Zwölferin und dem Nachguss der Josefs- und der Sebastiansglocke konnte 1953 Ersatz für die zerstörten Ulrich-Glocken geschaffen werden - die Stadtpfarrkirche hatte ihr Geläute zurück. Doch seine Geschichte ist damit nicht zu Ende: Nachdem 1995 erstmals Risse am Mantel der Zwölferin entdeckt wurden, sprang das Instrument, trotz erfolgreicher Reparatur, 2015 erneut. Nach langem Abwägen hatte man den Entschluss gefasst, die schadhafte Glocke im Seitenschiff auszustellen und durch einen Neuguss zu ersetzen: So wurde am 6. April 2018 die neue, von Franz Deibler gestiftete Annenglocke - im Gedenken an seine, beim Bombenangriff auf die Stadt umgekommene Familie - in Innsbruck gegossen. Im Zusammenklang mit der majestätischen Pummerin, der rauen Johannesglocke und den gelungenen Wolfart-Glocken fügt sich ein äußerst hörenswertes Ensemble zusammen: So ist das klangschöne, feierliche Geläute des Liebfrauenmünsters weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt und bedeutend.
Gl. 1 | Pummerin | as°+1 | 6550 kg | 2150 mm | Theodor Wolfart, Kempten (1886)
Gl. 2 | Johannes | c'+1 | 2900 kg | 1690 mm | Ulrich, Apolda/Kempten (1925)
Gl. 3 | Josef | es'+3 | 1831 kg | 1370 mm | Wolfart, Lauingen (1953)
Gl. 4 | Anna | f'+3 | 1565 kg | 1320 mm | Johannes Grassmayr, Innsbruck (2018)
Gl. 5 | Sebastian | as'+1 | 750 kg | 1015 mm | Wolfart, Lauingen (1953)
Gl. 6 | Toten | as''+1 | 75 kg | 450 mm | Ulrich, Apolda/Kempten (1925)
Letztere im östl. Schallfenster, solistisch in Gebrauch.
Mächtig ragt der Backsteinbau des Liebfrauenmünsters, gemeinsam mit dem Turm der Heilig-Kreuz-Kirche, aus der Stadtsilhouette Donauwörths auf. Der Bau der Stadtpfarrkirche geht dabei bereits auf die Ulrichskirche aus dem 11. Jh. zurück, während das heutige Gotteshaus von 1444 bis 1467 im gotischen Stil errichtet wurde. Erst 1938 hatte man Malereien aus der Bauzeit freilegen können, kurz bevor der Kirchenbau im April 1945 durch Luftangriffe auf Donauwörth starke Schäden nahm. Einige wertvolle Kunstschätze haben sich, dank sorgfältiger Restaurierungsarbeiten, bis in die Gegenwart erhalten können, sodass mit Abschluss der etzten Innenrenovierung die Donauwörther Stadtpfarrkirche zu Pfingsten 1991 zum Münster erhoben werden konnte.
Ablauf des Videos:
00:00 Eindrücke des Münsters, Geläute "von außen"
02:45 Einzelglocken
18:15 Festgeläut
Herzlich danken möchte ich Dekan Robert Neuner für die freundliche Ermöglichung der Aufnahmen, sowie Felix für seine Unterstützung.
Quellen:
1* Brenner, Hans (1989) Donauwörther Pummerin.; 2* Horn, Adam (1951) Kunstdenkmäler Bayr. Schwaben, Donauwörth.
Text, Ton und Bild: Ben Schröder, "Glockenzeit"
Информация по комментариям в разработке